Denken ist reden mit sich Selbst!

Analyse

Warum der Afghanistanabzug ein Genickbruch sei!

Fangen wir langsam und von vorn an. Wir schreiben das Jahr 1978. Die Mitglieder der Demokratischen Volkspartei Afghanistans planen und führen einen Putsch durch. Dabei trennt sich einer der ursprünglichen Begründer dieser Partei mit seiner Gefolgschaft von dieser und versucht die Staatsmacht auf sich zu ergründen. Moskau hatte die in den 60er Jahren gegründete Partei unter Beobachtung und griff Ende 1979 in das Geschehen in Kabul ein und installierte das kurz vor der Trennung beabsichtigte Regime in Afghanistan. Ab diesem Zeitpunkt begann der modernste Stellvertreterkrieg unserer Zeit, wo Washington und Moskau mit ihren Vertretern auf dem Schlachtfeld standen. 10 Jahre dauert dies an, bis 1989 Moskau im Rahmen der Perestroika aus Afghanistan seine Truppen abzog und Taliban von Washington bis 2001 weiter finanziert und unterstützt wurde. 2001 begann jedoch eine Politik seitens Washington, die die afghanische Opposition zu sich zog und den Taliban weiter außer Acht ließ. Wie die Berliner-Mauer ohne den russischen Abzug aus der DDR nicht vernichtet worden wäre, ging es den westlichen Strategien ebenso, die ohne den sowjetischen Rückzug aus Afghanistan ihre Pläne nicht durchgesetzt hätten. Taliban zog sich aus den staatlichen Bereichen zurück und versteckt sich bis heute in den umliegenden Regionen, vor allem in Pakistan.

Nun, das war ein kurzer Rückblick der Geschehnisse. Der seit einigen Monaten beschlossener Entschluss der NATO-Führung, der den Abzug aller Nato-Truppen aus Afghanistan angeordnet hat, ist deshalb interessant, weil Washington seine mehr als 40-jährige Stellung aufzugeben scheint. Ich wiederhole: Eine 40-jährige Stellung, die Milliarden von Dollars und Zehntausende von Menschenleben gekostet hat, wird just in nu aufgelöst… Wenn es einem nicht genug ist, kann er den Satz noch mal und nochmal und noch einmal lesen. Soweit verstanden? Gut, schleichen wir weiter.. Wir könnten jetzt Hypothesen aufstellen und meinen, dass die stärkste Wirtschafts- und Geopolitikmacht unseres Planeten es erst nach 40 Jahren eingesehen hat, dass er aus dieser Stellung keinen wirtschaftlichen und rationalen Sinn ableiten kann. Die Empfehlung die NATO-Truppen möglicherweise nach Pakistan, Irak, Israel, gar nach Osteuropa umzuleiten, löst unser Problem mit dem Auflösen der Stellung nicht. Was ist nun die tatsächliche Absicht aus Brüssel/Washington, die militärische Vertretung von Kabul aufzugeben?

Wir kennen den Umstand, dass Moskau und Peking sich langsam auf allen Ebenen der Wirtschaft und des geopolitischen Daseins nähern. Wir kennen hierbei auch das hypothetische Faktum, dass sobald dies geschieht, eine Zusammenkunft stärkeren Ausmaßes entstehen kann, die stärker sein würde als die hegemoniale Kraft der damaligen Sowjetunion. Vor diesem Hintergrund aber kann diese Kraft sich schnell erweichen, wenn sie gegensätzliche Polaritäten aufweist. Washington könnte in Afghanistan seine Stellung für noch weitere Jahrzehnte ausbauen und abwarten, bis sich diese Gegensätze zwischen Peking und Moskau herauskristallisieren. Aber Washington könnte auch, wie es mit Afghanistan geschehen, ein kleines Futter für große Ziele in den Raum werfen und die zwei Hähne sich darum streiten lassen. Und genau das wird bald Afghanistan für Moskau und Peking.

In der Analyse über die Beziehungen zwischen Moskau – Peking – Washington hatten wir festgestellt, dass Washington genau dieses Szenario sich vorstellen würde. Nach rund halbem Jahr wird genau solch ein Szenario herausgearbeitet und Afghanistan in den Raum geworfen. Das exakte Ziel ist unter anderem, zunächst die Rückkehr Talibans einzuleiten und dabei eine ähnliche Stellung wie vor 40 Jahren zu ermöglichen. Anders als damals, nicht mehr primär Moskau ins Fischernetz zu locken, ist es Peking auf Afghanistan im Rahmen der Belt-and-road-Politik aufmerksam zu machen. Erst darauf könnten Moskaus Interessen im Zentralasien tangiert werden und die Bilateralität zwischen Peking und Moskau würde zum Schwächeln kommen. Denn, Moskau hat vor einiger Zeit Milliarden-Verträge mit Indien und Iran in den Gebieten der militärischen und ökonomischen Entwicklungen abgeschlossen, die er mit dem abgeschnittenen Zugang über Kabul seitens Peking ungern rückgängig machen würde. Nicht nur dies, in Kabul und in den Reihen Talibans sitzen immer noch einige Vertreter, die im damaligen sowjetischen Interesse ihre Ermessungen abgeben. Auch dies ist ein weiterer Punkt, um einen Keil zwischen Moskau und Peking einzuschieben.

Ein weiterer Punkt ist die Position Ankaras. Mit dem Beschluss des Eingreifens und der Übernahme des Kabuler Flughafens seitens der türkischen Soldaten zum Ende des Jahres (so die aktuelle NATO-Entscheidung nach dem Abzug der Truppen), entsteht für Ankara noch eine weitere Stellvertreter-Front im Weiten Osten. Dies wird die Türkei sowohl militärisch als auch ökonomisch in die engen Zangen ziehen. Da die Türken heute in Syrien, Irak, Libyen, Sudan, Karabakh und bald noch in Afghanistan vertreten sind, kann es verheerende Folgen für die eigene Landesverteidigung im Inneren, wo die Kurden-Frage bald aktiviert werden könnte, sein.

Primär jedoch zielt diese gesamte Aufstellung auf der Schachbühne in Afghanistan darauf ab, Peking nach Zentralasien einzulocken, Moskau mit Pekings Interessen zu kollidieren und anschließend eine geopolitische Diskordanz zu schaffen.

Thinking Tanks

2 Comments

2 Comments

  1. cenk

    at 12:05

    macht doch auch Videos bei YouTube
    Ansonsten danke für eure Arbeit.
    wider eine Sehr gute Analyse.

  2. Pingback: Afghanistanabzug – 2 – thinkingtanks

Deine Meinung:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Trending

Copyright © 2024 | Thinking Tanks

DENKEN IST REDEN MIT SICH SELBST!

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen